Veröffentlicht am 21.07.2010

Flüchtlinge müssen weiter zahlen, wenn sie Berlin verlassen wollen

Pressemitteilung vom 21. Juli 2010

Seit langem spricht sich Berlins Regierungskoalition für eine Lockerung der Residenzpflicht für Flüchtlinge aus. Ein entsprechender Erlass befindet sich in Vorbereitung. An der Gebühr für die Bescheinigung zum Verlassen Berlins will Innensenator Körting jedoch festhalten – obwohl diese die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen ganz massiv einschränkt und nach unserer Auffassung rechtswidrig ist.


Der Flüchtlingsrat fordert den Senat auf, die Gebührenerhebung sofort einzustellen.

Möchten Flüchtlinge Berlin verlassen, benötigen sie eine Erlaubnis der Ausländerbehörde. Geduldete Flüchtlinge müssen dafür 10,- Euro bezahlen. Für EmpfängerInnen von Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz (37% unter dem Hartz-IV-Satz) ist das ein immenser Betrag und oft ein Grund, auf Besuche bei An-gehörigen und Freunden außerhalb Berlins zu verzichten. Doch Innensenator Körting sieht keinen Anlass, von den Gebühren abzusehen.

In der Antwort auf eine Abgeordnetenhaus-Anfrage (Drs 16-14345) erklärt er: Ein hoher Grad an Kostendeckung sei von öffentlichen Interesse und 10,- Euro ein geringer Betrag. Es stehe den Antragstellern frei, sich nur eine mündliche Erlaubnis zu hohlen. Die sei kostenlos. Der Innensenator räumt ein, dass es dann schwierig wird, die Erlaubnis bei einer Kontrolle nachzuweisen.

Martina Mauer vom Flüchtlingsrat Berlin: „Die trickreiche Argumentation Körtings lässt an seinem Willen zweifeln, größtmögliche Bewegungsfreiheit für Flüchtlinge herzustellen. Wäre es ihm wirklich ernst, dann könnte er per Erlass die Gebührenerhebung sofort abschaffen. Viele Bundesländer verzichten längst auf diese unnötige Praxis.“

So stellte das CDU-geführte Sächsische Innenministerium bereits im Dezember 2005 per Erlass klar, dass die Gebühren für Verlassenserlaubnisse rechtlich unzulässig sind. Das Brandenburger Innenministerium teilte uns am 16.07.2010 auf Anfrage mit, dass bisher (also auch aus Zeiten von CDU-Innenminister Schönbohm) noch kein einziger Fall bekannt geworden sei, in dem eine Ausländerbehörde in Brandenburg derartige Gebühren erhoben hätte.*)

Am 15.07.2010 hat der NRW-Landtag eine Initiative gegen die Residenzpflicht beschlossen (Drs. 15/32, 15/46). Der Beschluss stellt die Bewegungsfreiheit im gesamten Bundesland her, leitet eine Bundesrats-initiative zur bundesweiten Abschaffung der Residenzpflicht ein und verbietet Gebühren für Verlassenserlaubnisse (vgl. Der Freitag, 16.07.2010).

Der Flüchtlingsrat fordert den Innensenator auf, nach dem Vorbild NRWs die Gebührenerhebung sofort zu beenden und sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für die bundesweite und vollständige Abschaffung der Residenzpflicht einzusetzen.

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*) So nunmehr auch ausdrücklich der Erlass Brandenburgs v. 28.07.2010 – Räumliche Beschränkung für Asylsuchende und Duldungsinhaber unter Nr. III.2.

Auch das CDU-geführte Niedersächsische Innenministerium hält die Gebühren für unzulässig. Mit Email vom 02.08.2010 hat es dem Flüchtlingsrat Niedersachsen aus gegebenem Anlass bestätigt: „Ich teile Ihre Auffassung und die des sächsischen Innenministeriums, dass die im Aufenthaltsrecht abschließend geregelten Gebührentatbestände nicht die Erlaubnis zum vorübergehenden Verlassen der räumlichen Beschränkung einer Duldung (§ 12 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz) erfassen. Der Landkreis xxx hat mir auf Rückfrage mitgeteilt, dass er für die Ausstellung solcher Erlaubnisse künftig keine Gebühren mehr erheben wird.“

Die Bundesregierung hat am 20.09.2010 in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Liksfraktion (BT Drs. 17/2991 Residenzpflicht für Asylsuchende und Geduldete) mitgeteilt, warum weiter an der Residenzpflicht festgehalten wird. Außerdem geht es in der Antwort um die Zahl der Strafverfahren gegen Menschen, die sich der Residenzpflicht widersetzen. Erfreulich: auch die Bundesregierung räumt ein, dass für das Erheben einer Gebühr für die so genannten Verlassenserlaubnisse keine Rechtsgrundlage besteht!





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