Veröffentlicht am 30.04.2004

Presseerklärung zu den Zuwanderungsgesetzverhandlungen am 30.04.2004

Gegen ein Gesetz der Ausgrenzung und Diskriminierung
Für eine umfassende Bleibrechtsregelung für Flüchtlinge


Aus Anlass der am 30.04.2004 fortgesetzten Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetzes bekräftigt der Flüchtlingsrat Berlin seine Kritik am vorliegenden Gesetzentwurf.

Für den Flüchtlingsrat Berlin kann eine moderne Einwanderungs-, Asyl- und Integrationspolitik nicht ohne die rechtliche und soziale Gleichstellung aller hier lebenden Flüchtlinge und Migrant/innen erfolgen. Diesem Anspruch trägt der vorliegende Zuwanderungsgesetzentwurf in keiner Weise Rechnung.

Der Gesetzentwurf beinhaltet umfassende Regelungen zur Ungleichbehandlung von Migrant/innen. Ausgehend von wirtschaftlichen Nützlichkeitskriterien werden im Gesetz zahlreiche bereits hier lebende MigrantInnen vom Zugang zu Arbeit, Ausbildung, Deutschkursen und Sozialleistungen ausgeschlossen. Das Recht auf Kindernachzug sowie der Erwerb eines unbefristeten Aufenthaltstitels werden gegenüber dem geltenden Recht massiv eingeschränkt.

Die ‚Niederlassungserlaubnis‘ (unbefristeter Aufenthaltstitel) wird von einer schriftlichen Deutschprüfung, einer Staatsbürgerkundeprüfung und der Einzahlung von 60 Rentenversicherungsbeiträgen abhängig gemacht. Dies sind Voraussetzungen, die teilweise nichtmal bei der Einbürgerung verlangt werden. Damit wird der Erwerb eines dauerhaft sicheren Aufenthaltsrechts erheblich erschwert und so Integration verhindert.

Im laufenden Vermittlungsverfahrens fordern die CDU-Länder weitere der Integration hinderliche Verschärfungen. So soll einerseits der Rechtsanspruch auf die viel diskutierten Deutschkurse (der ohnehin nur für neu zugewanderte MigrantInnen galt) gestrichen werden und andererseits Sanktionen für den Fall der Nichtteilnahme verschärft werden.

Mit der Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe soll völkerrechtlichen Verpflichtungen und den europäischen Standards Rechnung getragen werden, die CDU stellt diese Standards jedoch zur Disposition. Dem steht zudem eine Reihe von Einschränkungen des Asylrechts gegenüber. Anerkannte Flüchtlinge sollen nach drei Jahren einer zweiten Asylprüfung unterzogen werden.

Das Gesetz baut Flüchtlinge diskriminierende Strukturen weiter aus. An der Abschiebehaft wird festgehalten, neu hinzu kommen sollen sogenannte „Ausreisezentren“. Das Asylbewerberleistungsgesetz mit der Versorgung mit Essenspaketen und der Einweisung in Sammellager soll auf aus humanitären Gründen bleibeberechtigte Ausländer ausgeweitet werden. Die CDU-Länder fordern darüber hinaus, dass die Unterbringung in Sammelagern und die Sachleistungsversorgung zeitlich unbefristet gelten und die Dauer Abschiebehaft auf drei Jahre verdoppelt werden soll. Die betroffenen Flüchtlinge werden auf diese Weise physisch und psychisch zu Grunde gerichtet.

Für Menschen ohne Papiere werden weiterhin selbst Mindeststandards verweigert. An der „Denunziationspflicht“ öffentlicher Stellen wird festgehalten, die Sanktionen für die humanitäre Unterstützung von Menschen ohne Aufenthaltsstatus werden ausgeweitet. Der deutsche Vorbehalt gegenüber der UN-Kinderrechtskonvention wird aufrechterhalten.

Das Gesetz trägt zur Stigmatisierung und Kriminalisierung von MigrantInnen und Flüchtlingen bei. Mit den Anti-Terrorgesetzen wurden ausländerrechtliche Restriktionen bereits zum 1.1.2002 massiv verschärft. Ausländer aus islamischen Staaten haben in Berlin bereits jetzt massive Probleme bei der Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis. Auch hier fordert die CDU weitere Verschärfungen. Dazu gehört, dass Ausweisungen bereits dann möglich sein sollen, wenn lediglich Annahmen vorliegen. Dies ist mit Rechtstaatsgrundsützen nicht mehr zu vereinbaren.

Eine umfassende Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete und asylsuchende Flüchtlinge, die auch das Recht auf Arbeit, Ausbildung, Deutschkurse und Wohnung beinhaltet, fehlt im Zuwanderungsgesetzentwurf. Dies ist für den Flüchtlingsrat Berlin angesichts von 20.000 mit einer „Duldung“ in Berlin lebenden Flüchtlingen derzeit das vordringlichste integrationspolitisches Erfordernis, dem der vorgelegte Gesetzentwurf jedoch in keiner Weise gerecht wird.

Dabei könnten die Regierungsfraktionen im Bundestag eine solche Bleiberechtsregelung – ebenso wie die Anerkennung geschlechtspezifischer und nichtstaatlicher Verfolgung, den Abbau von gesetzlichen Integrationhindernissen beim Zugang von MigrantInnen zu Arbeit und Ausbildung sowie die große Mehrzahl der Regelungen des Zuwanderungsgesetzes – auch ohne CDU im Kraft setzen!

Eine Zustimmung des Bundesrates ist für die genannten Regelungen nicht erforderlich!

Die Forderungen nach einer Bleiberechtsregelung wird sowohl auf Bundesebene (initiiert von PRO ASYL) als auch auf Berliner Ebene von einem breitem Bündnis gesellschaftlicher Organisationen, wie Kirchen, Wohlfahrtsverbünden, Gewerkschaften, Migrantenorganisationen und Flüchtlingsinitiativen getragen.

Im Rahmen der Bleiberechtskampagne arbeitet der Flüchtlingsrat eng mit einer Gruppe engagierter Flüchtlingsjugendlicher zusammen, die selbst seit vielen Jahren in Berlin leben und hier aufgewachsen sind, aber von Abschiebung bedroht sind.

Jugendliche Flüchtlinge, die sich für ihr Bleiberecht engagieren, stehen zu Beginn der Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz am Freitag 30.04.2004 von 15.00-18.00 Uhr vor dem Paul-Loebe-Haus, zentraler Eingangsbereich (unter dem Vordach) für Interviews zur Verfügung.

Flüchtlingsrat Berlin
29. April 2004

Positionen zum Zuwanderungsgesetz

PRO ASYL und Interkultureller Rat fordern:
Abbruch der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss!
Download Stellungnahme vom 29.04.2004
http://www.proasyl.de

Flüchtlingsrat Berlin zu den Verhandlungen um das Zuwanderungsgesetz:
Es geht auch ohne CDU – Alle wichtigen Regelungen und Verbesserungen für MigrantInnen und Flüchtlinge bedürfen keiner Zustimmung des Bundesrates!

Flüchtlingsrat Berlin, Thesen zum Zuwanderungsgesetz, April 2002
(an der Kritik an der Rot-Grünen Position hat sich im Grundsatz nichts geändert, hinzu kommen allerdings im Vermittlungsausschuss als Zugeständnisse an die CDU zu erwartende weitere Verschärfungen)

weitere Dokumente zum Zuwanderungsgesetz
Gesetzgebung
http://www.dbein.bndlg.de/action
http://proasyl.de/texte/gesetze/brd/zuwanderungsgesetz/positionen/positionen.htm





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