Veröffentlicht am 13.12.2013

Privater Wohnheimbetreiber Gierso versucht, Berliner Flüchtlingsrat politisch mundtot zu machen

Gemeinsame Pressemitteilung von
Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung
Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Initiative Neue Nachbarschaft Moabit
Initiative Moabit hilft
Initiative Willkommen im Westend
Multitude e.V.
18. Dezember 2013


Im Anschluss an eine flüchtlingspolitische Fachtagung des Bildungswerks Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung im November 2013 mit dem Thema „Welcome to Berlin!“ ließ die Wohnheimbetreiberfirma Gierso Boardinghouse GmbH Berlin(1) dem Flüchtlingsrat Berlin per Rechtsanwältin Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen zustellen. Die Gierso versucht damit, Kritik an den von ihr betriebenen Unterkünften zu unterbinden.

Die Anwältin verlangt, dass der Flüchtlingsrat und seine Mitglieder sich per Unterlassungserklärung gegenüber der Gierso vertraglich dazu verpflichten, angebliche Behauptungen über Mängel bei Personal, Ausstattung und Organisation der Gierso-Unterkünfte nicht mehr zu äußern.(2) Sie bezieht sich dabei auf Diskussionen während der Tagung des Bildungswerks mit dort teilnehmenden Gierso-Mitarbeiterinnen sowie auf eine Email des Flüchtlingsrates an den Auftraggeber für die Sammelunterkünfte, das Landesamt für Gesundheit und Soziales LAGeSo Berlin.

„Wir wundern uns sehr über dieses aus unserer Sicht völlig abwegige Vorgehen der Gierso. Fachtagungen dienen üblicherweise dazu, Meinungen auszutauschen und unterschiedliche Standpunkte zu diskutieren. Statt sich dem öffentlichen politischen Diskurs auf unserer Tagung zu stellen, unternimmt die Gierso den Versuch, den Flüchtlingsrat im Nachhinein mit fragwürdigen Mitteln mundtot zu machen“, so Heidi Bischoff-Pflanz vom Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung.

Der Flüchtlingsrat Berlin sieht es als seine originäre politische Aufgabe an, die in Not- und Sammelunterkünfte eingewiesenen Flüchtlinge dabei zu unterstützen, vorhandene Mängel an das LAGeSo zu melden und diese ggf. auch öffentlich zu machen. Dies ist umso wichtiger angesichts bislang durchweg fehlender Kontrollen von Personaleinsatz und Ausstattung in den Unterkünften durch das LAGeSo Berlin und eines völlig fehlenden Beschwerdemanagements.

„Seit seiner Gründung vor über 30 Jahren thematisiert der Flüchtlingsrat Mängel in Berliner Sammelunterkünften in der Öffentlichkeit. Davon lassen wir uns auch durch Einschüchterungsversuche seitens eines privaten Heimbetreibers nicht abbringen“, sagt Martina Mauer vom Flüchtlingsrat Berlin. „Vielmehr erwarten wir von den Heimbetreibern eine Zusammenarbeit im Interesse der untergebrachten Flüchtlinge, was die Fähigkeit zum Umgang mit Kritik einschließt.“

Der Flüchtlingsrat wird sich deshalb den Abmahnungen der Gierso-Anwältin nicht unterwerfen, auch wenn damit ein hohes Kostenrisiko verbunden ist.

Wir fordern stattdessen:

  • Einhaltung der Mindeststandards für den Betrieb von Sammelunterkünften durch die Betreiber
  • Transparenz über die mit dem LAGeSo getroffenen Verträge und Absprachen
  • Regelmäßige anlassunabhängige Kontrollen von Ausstattung und Personaleinsatz in den Unterkünften durch das LAGeSo
  • Einrichtung eines effektiven Beschwerdemanagements in den Unterkünften und beim LAGeSO
  • Zugang für ehrenamtliche Initiativen zu den Unterkünften

Pressekontakt:
Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung, Tel: 030-6126075
Flüchtlingsrat Berlin, Tel: 030-243445762

Spenden (steuerlich absetzbar) an den Flüchtlingsrat Berlin e.V.,
Verwendungszweck „Kritik an Heimbetreibern“:
Bank für Sozialwirtschaft Berlin, BLZ 100 205 00, Konto 3260300,
IBAN: DE50100205000003260300, SWIFT/BIC: BFSWDE33BER
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(1) Die Gierso Boardinghouse GmbH Berlin ist einer von drei großen privaten Betreibern der Flüchtlingsunterbringung in Berlin. Die Firma wird wegen der Zustände in ihrer Moabiter Notunterkunft von der Initiative Neue Nachbarschaft Moabit öffentlich massiv kritisiert. Sie betreibt seit Anfang 2013 im Auftrag des LAGeSo Notunterkünfte in Moabit, Steglitz und in Spandau allein aufgrund mündlicher Absprachen mit dem LAGeSo, und seit Mai 2013 eine weitere Unterkunft im Westend. Die von Wilhelm Pleß geführte, rechtlich von Tobias Dohmen vertretene Gierso ist Ende 2012 aus der seit Jahrzehnten im Geschäft aktiven, von Helmuth Penz geführten Wohnheimbetreiber PeWoBe Berlin heraus entstanden. Vgl. zum Hintergrund der Firmen bereits Die Zeit vom 15.01.1993 „Konjunkturprogramm Asyl“ www.zeit.de/1993/03/konjunkturprogramm-asyl.

(2) Wortlaut der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Die behaupteten Äußerungen sind so nicht gefallen.





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