Veröffentlicht am 08.06.2011

Residenzpflicht endlich abschaffen!

Gemeinsame Pressemitteilung der Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg vom 8. Juni 2011

Aktuelle Evaluation des Flüchtlingsrat Brandenburg zeigt: Viele werden aus der neuen Reisefreiheit zwischen Berlin und Brandenburg ausgeschlossen. Die Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg fordern vollständige Bewegungsfreiheit zwischen den beiden Bundesländern und eine Bundesratsinitiative zur endgültigen Abschaffung der Residenzpflicht für Flüchtlinge.


Juristische Feinheiten sind selten pressetauglich. Deshalb entstand im letzten Jahr in der Öffentlichkeit der Eindruck, in Brandenburg und Berlin sei die Residenzpflicht für asyl-suchende und geduldete Flüchtlinge aufgrund von Ländererlassen abgeschafft.[1] Dem ist nicht so! Die Residenzpflicht wurde bisher nur zwischen Berlin und Brandenburg ausgesetzt und das muss individuell beantragt werden und gilt nicht für alle. Für Fahrten in andere Bundesländer gelten die diskriminierenden Beschränkungen weiterhin in vollem Umfang.

Eine neue Evaluation des Flüchtlingsrates Brandenburg zeigt, dass die Aussetzung der Residenzpflicht zwischen Berlin und Brandenburg in vielen Landkreisen äußerst restriktiv gehandhabt wird.[2] Etwa ein Viertel der Geduldeten wird davon ausgeschlossen, weil ihnen unterstellt wird, sie würden ihre „Mitwirkungspflichten“ bei der Beschaffung von Heimreise-dokumenten verletzen. Zudem führen auch Bagatelldelikte zum Ausschluss von der neuen Reisefreiheit. Einem in Fürstenwalde lebenden Flüchtling wird beispielsweise die Reise-erlaubnis nach Berlin verwehrt, weil er im Jahr 2003 eine Packung Hühnerherzen entwendet haben soll. „In Artikel 13 der UN-Menschenrechtskonvention heißt es: ‚Jeder Mensch hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen.‘ Ein Menschenrecht verwirkt man nicht durch Ladendiebstahl oder die Beurteilung eines Beamten, Mitwirkungspflichten verletzt zu haben“, sagt Beate Selders vom Flüchtlingsrat Brandenburg.

Voraussichtlich noch im Juni 2011 tritt eine Änderung des Asylverfahrensgesetzes in Kraft, wonach die Bundesländer per Rechtsverordnung regeln können, dass Asylsuchende sich grundsätzlich „im Gebiet eines anderen Landes“ aufhalten dürfen.[3] „Wir fordern die Regierungen Berlins und Brandenburgs auf, diese Neuregelung aufzugreifen und jetzt die Beschränkung der Reisefreiheit zwischen den Bundesländern ganz aufzuheben und auf diskriminierende Antragsprozeduren zu verzichten!“, so Selders weiter.

Die Flüchtlingsräte appellieren außerdem an die Regierungen Berlins und Brandenburgs, die neuen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zu nutzen und auf Bundesebene für eine voll-ständige Abschaffung der Residenzpflicht für Asylsuchende und Geduldete einzutreten. Flüchtlingspolitische Prüfsteine für die Abgeordnetenhauswahl in Berlin am 18. September sind darüber hinaus Bundesratsinitiativen zur Abschaffung der Pflicht, in Sammelunter-künften[4] zu wohnen und zur Abschaffung des diskriminierenden und verfassungswidrigen Asylbewerberleistungsgesetzes[5].

[1] Vgl. gemeinsame Pressemitteilung der Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg vom 29. Juli 2010

[2] Flüchtlingsrat Brandenburg, Evaluation der Änderungen der räumlichen Beschränkung des Aufenthalts von Flüchtlingen („Residenzpflicht“) in Brandenburg, www.residenzpflicht.info/wp-content/uploads/2011/05/Evaluation_Aenderungen_Residenzpflicht.pdf

[3] Neufassung § 58 AsylVfG durch Art. 3 „Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften“. Die Pflicht zur Wohnsitznahme in einem festgelegten Landkreis bleibt allerdings unverändert. Zudem gilt die Neuregelung nur für Asylsuchende, nicht für Geduldete.

[4] § 53 AsylVfG.

[5] Vgl. Classen, Das AsylbLG und das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, Classen_AsylbLG_Verfassung.pdf





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