Veröffentlicht am 21.10.2005

Ausländerbehörde inhaftiert französischen Staatsbürger

Presseerklärung vom 21. Oktober 2005


[Berlin] In Berlin wurde ein französischer Staatsbürger in Abschiebungshaft genommen. Die Abschiebungshaft ist ein Instrument, um die Abschiebung von Ausländern in Staaten außerhalb der EU zu sichern. Insofern verwundert die Inhaftierung eines EU-Bürgers, denn wohin soll er abgeschoben werden? Die Absurdität des Falles geht soweit, dass dem Betroffenen sogar ein Einreiseverbot für alle „Schengen-Staaten“ – also auch Frankreich – angedroht wurde. Offenbar hat die Ausländerbehörde hier in ihrem Routinetrott übersehen, dass ein EU-Bürger zwar Ausländer ist, aber einer mit erheblichen Privilegien.

Der Betroffene ist in Deutschland straffällig geworden, hat eine Haftstrafe von April 2005 bis zum 18. Oktober 2005 verbüßt und befindet sich seitdem im Abschiebungsgewahrsam Berlin-Grünau.

Der Betroffene führt einen französischen Personalausweis bei sich und erklärte stets, nach Frankreich ausreisen zu wollen. Bekanntlich unterliegen EU-Bürger nicht der Passpflicht, wie andere Ausländer, so dass ein Personalausweis als Reisedokument genügt. Würde der Betroffene also freigelassen, würde er ohne Probleme nach Frankreich ausreisen – mit der Haft wird also nicht die Abschiebung sondern das Hierbleiben gesichert.

Die Ausländerbehörde inhaftiert tagtäglich Ausländer, die kaum eine realistische Chance haben, sich gegen die Haft zu wehren. Hier aber scheint die Behörde zu weit gegangen zu sein. Der Betroffene hat bereits die französische Botschaft um konsularischen Schutz ersucht. Zudem behält er sich Haftentschädigungsansprüche gegen das Land Berlin vor. Schließlich findet sich die rechtliche Grundlage für die Abschiebungshaft im sog. Aufenthaltsgesetz, welches aber für EU-Bürger keine Anwendung findet.

Dieses Extrembeispiel für die Willkür der Ausländerbehörde sollte zum Anlass genommen werden, die gegenwärtige Praxis der Anordnung von Abschiebungshaft generell zu hinterfragen.

Es wird geprüft, gegen die Ausländerbehörde und den Haftrichter Strafanzeige zu stellen.

Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an
Flüchtlingsrat Berlin
Rechtsanwalt Volker Gerloff, Tel. 694 26 22, Fax 694 26 90

Berlin, 21.10.2005

TAZ Berlin vom 22.10.05: Abschiebung skurril





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