Veröffentlicht am 28.06.2002

Cash — No Chips, FR Berlin fordert Abschaffung der Chipkarte

Presseerklärung des Flüchtlingsrats Berlin vom 28. Juni 2002


siehe auch

Am 30. Juni 2002 wird der Vertrag des Landes Berlin mit der Firma SODEXHO zur Anwendung der Chipkarte (Infracard) als Leistungsform für ca. 3000 Asylbewerber um ein weiteres Jahr verlängert. Somit können die betroffenen Flüchtlinge auch künftig mit der von dem französischen Unternehmen geschaffenen Chipkarte nur in ausgewählten (ca. 80 Geschäften) in Berlin einkaufen. Die Geschäfte liegen meist nicht in der Nähe der Wohnheime gelegen und sind nur mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Die Flüchtlinge können mit der Chipkarte nicht in den Genuss von Sonderangeboten kommen oder Schulmaterial für ihre Kinder kaufen, ganz zu schweigen von Anwaltsgebühren, die für die Vertretung in Asylverfahren notwendig sind.

Die betroffenen Flüchtlinge verfügen letztlich nur über den absurd niedrigen Betrag von 1,33 EURO /Person/Tag. Von diesem Betrag müssen große Teile für Fahrgeld zum Einkaufen aufgewendet werden, denn Flüchtlinge erhalten – anders als deutsche Sozialhilfeempfänger – auf grund einer Vorgabe der Senatssozialverwaltung auch keine ermäßigte „Sozialkarte“ für die BVG.

Die ab 01. Juli 2002 veränderten Konditionen (u.a. Aufnahme eines Ladens der Lebensmittelkette „Real“) hält der Flüchtlingsrat nicht für ausreichend. Niedrigpreisläden wie „Aldi“, „Penny“ und „Lidl“ sind für die Flüchtlinge weiter nicht zugänglich.

Durch die Abschaffung der Chipkarte wären angesichts der gegenwärtigen Haushaltslage wichtige Einspareffekte für den Senat zu erzielen. Für den Flüchtlingsrat Berlin reduziert sich die Gewährung von Sachleistungen an Flüchtlinge allerdings nicht nur auf die Kostenfrage. Vielmehr betrachtet der Flüchtlingsrat das Chipkartensystem als eine alltägliche Diskriminierung und Ausgrenzung von Flüchtlingen, die es zu beenden gilt.

Der Flüchtlingsrat Berlin ruft gemeinsam mit der Initiative gegen das Chipkartensystem zu einem antirassistischen Einkauf am Freitag, 28. Juni 2002 um 17.00 Uhr vor dem „BOLLE“-Markt in der Potsdamer Strasse 128 (Berlin-Schöneberg) auf. Beide Organisationen werden über ihr Anliegen informieren und Flüchtlingen praktische Unterstützung erweisen.

Mit dem antirassistischen Einkauf beginnt faktisch eine Aktionswoche gegen das Chipkartensystem in Berlin. Am 29. Juni 2002 findet ab 17.00 Uhr das diesjährige Sommerfest des Flüchtlingsrates unter dem Motto „Cash – No Chips“ statt. Ort: WeGe ins Leben, Clayallee 92, Berlin-Zehlendorf. Auf dem Sommerfest werden die Auswirkungen der Ausgrenzung von Flüchtlingen durch die die Chipkarte thematisiert werden.

Für Freitag, 05. Juli 2002 ruft die Initiative gegen das Chipkartensystem zu einem Antirassistischen Aktionstag auf. Auf einer Protestkundgebung um 11 Uhr vor der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in der Oranienstr 106 in Berlin-Kreuzberg soll der Senatorin, Frau Knake-Werner, die „Antirassistische Rote Karte“ verliehen werden.

Der Flüchtlingsrat hofft, dass die öffentlichen Proteste zur Abschaffung des Chipkartensystems führen. Dafür bietet der Beschluss des Abgeordnetenhauses zur Zustimmung des Landes Berlin zum Zuwanderungsgesetz (März 2002) eine tragfähige Grundlage, da dieser die bisherige Gewährung von Sachleistungen auf den Prüfstand stellt. Mit der Abschaffung der Chipkarte kann auch wichtiges politisches Signal in Richtung der Bezirke gegeben werden, die für den größeren Teil der in Berlin lebenden Flüchtlinge zuständig sind. Der bereits von der Senatorin bekundete politische Wille zur Abschaffung der Chipkarte sollte möglichst bald praktische Auswirkungen zeigen.

Berlin, 28. Juni 2002
Flüchtlingsrat Berlin





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