06.12.2016: Aufruf zur Demonstration: Keine Abschiebungen nach Afghanistan

Aufruf afghanischer Vereine, Selbstorganisationen, Beratungsstellen und Lobbyorganisationen zur Demonstration “Keine Abschiebungen nach Afghanistan” am 10. Dezember 2016, Start 12 Uhr an der U-Bahn Station Turmstraße


Der nun seit fast vier Jahrzehnten andauernde Krieg in Afghanistan hat 6 Millionen Menschen weltweit in die Flucht getrieben, und 2015 mehr als 200.000 Menschen nach Europa. Damit gehören Afghan*innen zur zweitgrößten Gruppe Asylsuchender in der Europäischen Union. Der Abzug internationaler Truppen und der damit verbundene wachsende Einfluss der Taliban sowie der Eintritt der IS (Islamischer Staat) machen Afghanistan zu einem der unsichersten Flecken auf der Erde. Die Situation verschärft sich durch die Unfähigkeit der langsam zerfallenden Einheitsregierung adäquat auf die politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu reagieren. Der größte Anteil der Geflüchteten sind Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten, Frauen und Kinder. Allein die Ereignisse der vergangenen sechs Monate sind ein Zeugnis dafür, dass Afghanistan alles andere als ein sicheres Herkunftsland ist.

  • Im Juli starben mehr als hundert friedlich demonstrierende Menschen durch einen Bombenanschlag in der Hauptstadt Kabul.
  • Im September wurden zum wiederholten Male unschuldige Zivilist*innen in der Provinz Wardak durch die IS-Miliz entführt und enthauptet. Im selben Monat eroberte die Talibanbewegung zum zweiten Mal in diesem Jahr die einst durch die deutsche Bundeswehr mitverwaltete und sichergestellte Provinz Kunduz. Zehntausende Menschen wurden innerhalb ihres Landes vertrieben.
  • Im Oktober während des Aschurafestes starben hunderte Angehörige der schiitischen Glaubensrichtung bei aufeinanderfolgenden Terroranschlägen in Kabul und Masar-I-Sharif.
  • Im November kam es landesweit zu vermehrten Entführungen unschuldiger Zivilist*innen. In der Provinz Faryab wurde ein junges Paar außergerichtlich zum Tode verurteilt. Bei einem terroristischen Bombenanschlag auf das deutsche Konsulat in Masar-I-Sharif kamen sechs Menschen ums Leben, über hundert wurden schwer verletzt. 27 Menschen fielen einem Anschlag auf eine Moschee in Kabul zum Opfer, dutzende schwer verletzt.

Und dies ist nur der kleine Bruchteil an Informationen, der es in die europäischen Medien geschafft hat. Allein in den letzten neun Monaten wurden über 2.500 Menschen durch unzählige Anschläge und außergerichtliche Entscheide getötet. Gleichzeitig wächst täglich die Gefahr des Ausbruchs eines ethnischen und sektiererischen Bürgerkriegs. Terroristen, wie Taliban und IS, gewinnen dramatisch schnell an territorialem Einfluss, während die afghanische Regierung zusammenbricht. Inzwischen kontrollieren Taliban und der IS mehr als die Hälfte aller Provinzen. Durch die steigende Zahl an Terroranschlägen und Kriminalität durchleben die Menschen in der Hauptstadt Kabul eine fortwährende Angst um das eigene Leben und das ihrer Angehörigen. Die afghanische Wirtschaft ist gekennzeichnet  durch die anhaltende und stets wachsende Kriegs- und Kriminalitätsökonomie, in der Talban, der IS, Drogenbarone und Schmuggler als die lukrativsten Arbeitgeber gelten.

Afghanistan kann weder für Einheimische noch für Auslandsvertretungen und NGOs als sicher gelten. Eine Abschiebung nach Afghanistan bedeutet das Todesurteil für Frauen, Kinder und ältere Menschen, und für Männer die Zwangsrekrutierung – entweder für Taliban, den IS oder die syrische Armee zu kämpfen (vor allem im Iran werden afghanische Männer gezwungen für das Assad-Regime zu kämpfen). Mit dem im Oktober unterzeichneten EU-Afghanistan-Abkommen wird die Weiterbewilligung von Hilfsgeldern an eine Wiederaufnahme der Flüchtlinge durch die afghanische Regierung geknüpft. Diese unmenschliche Art der Erpressung seitens der EU widerspricht allen humanistischen und demokratischen europäischen Idealen.
Wir erklären mit gemeinsamer Stimme…
1. das EU-Afghanistan Abkommen als menschenrechtswidrig;
2. die Abschiebung junger Männer als einen Zwang in den Kriegsdienst – in Afghanistan oder in Syrien;
3. die afghanische Regierung als unfähig, die Grundbedürfnisse von 1,5 Millionen Binnenflüchtlingen und zehntausenden Rückkehrer*innen aus Pakistan, dem Iran und Europa zu decken;
4. die wenigen sogenannten sicheren Regionen in Afghanistan zu isolierten Gefängnissen, deren Zufahrtswege und Nachbarregionen Schauplätze von Entführungen und Terroranschlägen sind.
… und fordern…
1. den sofortigen europaweiten Abschiebestopp nach Afghanistan;
2. das sofortige Einstellen des medialen und institutionellen Psychoterrors mit der ständigen Androhung einer Abschiebung gegen Menschen, die seit fast vier Jahrzehnten auf der Flucht vor Krieg und Terror sind;
3. die sofortige Aufnahme afghanischer Menschen in Integrations- und Partizipationsmaßnahmen.

Kommt zur Demonstration “Keine Abschiebungen nach Afghanistan” am Samstag, den 10. Dezmeber um 12 Uhr an der U-Bahnhaltestelle Turmstraße und zeigt eure Solidarität mit allen afghanischen Geflüchteten.

Aufruf zur Demonstration





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