Veröffentlicht am 02.03.2007

Abschiebung nach 14 Jahren Berlin

Humanitäre Lösung für Kurden aus Mardin dringend erforderlich

Pressemitteilung vom 02. März 2007


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Siehe dazu

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Die 22 jährige Nasrin T. wurde gestern früh in ihrer Wohnung festgenommen und um 16.30 Uhr mit Turkish Airlines alleine nach Istanbul abgeschoben. Nasrin ist im Alter von 8 Jahren nach Berlin gekommen und spricht deutsch und arabisch, aber kein Wort türkisch.

Nasrin ist die älteste Tochter der Familie. Sie lebte zusammen mit ihrer Mutter und 6 Geschwistern seit 1993 in Berlin. Der Vater hatte sich vor einigen Jahren von der Familie getrennt.

Wie Familie Aydin gehört auch Familie T. zu einer arabischsprachigen Gruppe von Kurden, die ursprünglich aus dem Gebiet von Mardin/Türkei stammen, jedoch seit Jahrzehnten von dort auswandern und zeitweise oder auf Dauer in Syrien und im Libanon leben. Im Asylverfahren hatte der Vater von Nasrin daher die libanesische Herkunft angegeben.

Die türkischen Behörden führen jedoch noch Jahrzehnte die Familienregister weiter und stellen auf Anfrage der Ausländerbehörden bereitwillig türkische Pässe für eine Abschiebung aus. 1)

Die Härtefallkommission hatte sich im März 2006 einstimmig für ein Bleiberecht für Nasrin T., ihre Mutter und ihre Geschwister ausgesprochen. Innensenator Körting hatte dies verweigert. Scheinbar erwartet Herr Körting von den Kindern der Kurden aus Mardin, dass diese nicht nur über eine angebliche Identitätstäuschung ihrer Eltern informiert sind, sondern auch zur Ausländerbehörde gehen, dort eine türkische Identität mitteilen und auf diese Weise ihre Eltern anzeigen und abschieben lassen.

Die Bleiberechtsregelung der Innenministerkonferenz sieht ein Bleiberecht für Familien vor, die seit mindestens 6 Jahren in Deutschland leben. Nasrin T. ist mehr als doppelt so lange hier. Sie hätte daher nach dem Innenministerbeschluss bis zum 1.10.2007 Zeit, eine Arbeit zu finden und so ein Bleiberecht zu erhalten.

Obwohl Berlins Innensenator Körting sich im Vorfeld der Innenministerkonferenz für das Bleiberecht stark gemacht hatte, ist die Umsetzung durch die Berliner Ausländerbehörde skandalös. Von seit dem 17.11.06 (Innenministerbeschluss) in Berlin gestellten fast 1800 Anträgen auf Bleiberecht waren bis zum 28.02.07 erst 36 genehmigt, aber bereits 118 abgelehnt. Einstellungsbereite Berliner Arbeitgeber werden ebenso wie die nach Arbeit suchenden Flüchtlinge verprellt. Kaum ein Arbeitgeber kann 3 oder mehr Monate auf eine Entscheidung der Ausländerbehörde warten.

Der Fall Nasrin T. zeigt, dass auch über die „Ausschlussgründe“ beim Bleiberecht, die zu der extrem hohen Ablehnungsquote von 75 % mit beitragen, neu nachgedacht werden muss. Für die Familien der Kurden aus Mardin ist dringend eine humanitäre Lösung erforderlich – sei es über das Bleiberecht, sei es über die Härtefallkommission. Sippenhaftung ist im Strafrecht verboten. Sie darf auch im Ausländerrecht kein Maßstab für Herrn Körting sein. Nachzudenken ist stattdessen über eine Amnestie für die Familien der Kurden aus Mardin.

Berlin, 02. März 2007
Flüchtlingsrat Berlin

Für Rückfragen: Georg Classen (Flüchtlingsrat Berlin) 69564992; Walid Chahrour (BBZ) 66640720

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1) Zum Hintergrund siehe: www.libasoli.de –> Dokumente (Beitrag von Ralph Ghadban u.a.)





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